Interview Tourismus mit den Samerberger Nachrichten
Herr Stöttner, Sie sind seit 2018 Präsident des Tourismusverbandes Oberbayern, gerne wollen wir mit Ihnen gemeinsam und mit nachfolgenden Fragen auf das Tourismusjahr 2020 zurückblicken.
Oberbayern hat bislang eine Spitzenstellung im bundesdeutschen Tourismus eingenommen – hat sich dies fortsetzen lassen?
Oberbayern konnte in den vergangenen Jahren seine Spitzenposition im Tourismus verteidigen und erhalten. Lauf Eurostat befinden wir uns im Ranking der 20 stärksten Tourismusregionen Europas, zugleich stehen wir für rund 50% das Tourismusgeschehens in Bayern. 2019 lagen die Übernachtungszahlen bei 42 Mio., der Bruttoumsatz aus dem oberbayerischen Tourismus lag mit 15,3 Mrd. EUR auf einem Spitzenniveau. Bis 2019 konnte sich der Tourismus in Oberbayern sehr positiv entwickeln – auch im Vergleich zum Wettbewerbsumfeld.
Nichts war 2020 wie in den Vorjahren, hat Corona die Bilanzen verhagelt?
Die endgültigen Übernachtungszahlen für das Jahr 2020 stehen noch nicht fest, sie werden erst im Rahmen der Pressekonferenz der Bayern Tourismus Marketing GmbH im Februar bekannt gegeben. Dennoch lässt sich schon jetzt sagen, dass die Tourismusentwicklung im zurückliegenden Pandemie-Jahr stark hinter den glänzenden Zahlen von 2019 zurückgeblieben ist. Die Übernachtungszahlen von Januar bis November 2020 sanken im Vergleich zum Vorjahr auf 23.4 Mio. um -42,1%, die Gästeankünfte sanken um -53%.
Der erste Lockdown von März bis Mai führte nahezu zum Erliegen des Tourismusgeschehens verbunden mit Umsatz-Einbußen in Höhe von 2,4 Mrd. EUR für die oberbayerische Tourismuswirtschaft. Über die Sommermonate konnten gerade die ländlichen Seenregionen eine starke Nachfrage aus dem Inland verzeichnen, einzelne Destinationen näherten sich bis Herbst einer schwarzen Null. Anders sah die Situation für den Städtetourismus aus. Gerade in München, aber auch in Rosenheim oder Ingolstadt kam der Geschäftsreisetourismus auch ab Juni nicht in Gang. Fehlende Flugverbindungen, fehlendes Messegeschäft und mangelnde Nachfrage nach Städtetourismus sorgen für Einbußen von 40-50% in den Sommermonaten.
Der neuerliche Lockdown ab November brachte den Tourismus in Oberbayern dann wieder zum Jahresende nahezu vollständig zum Erliegen.
Sie sind Touristiker-Berater und Politiker: sind die Einschränkungen wegen Corona nicht nur wichtig, sondern auch richtig?
Die Einschränkungen sind für die Tourismusbranche sehr schmerzhaft, aber mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen unverzichtbar. Wir wollen rasch zu einer Absenkung der Inzidenz unter 50 erreichen und die Pandemie 2021 auch dank der neuen Impfstoffe in den Griff bekommen. Ziel ist es, dass wir zumindest nach der Wintersaison den Tourismus wieder schrittweise hoch fahren können.
Die Gastronomie und Hotellerie war mit Extra-Hygiene-Konzepten gerüstet und wurden dann geschlossen: war das notwendig?
Es war auch wichtig, dass die Tourismusbetriebe über die November und Dezemberhilfen gestützt werden, bzw. auch in den Genuss der Überbrückungshilfe III kommen. Der Tourismus ist kein Infektionstreiber, leistet aber seinen Beitrag zur Eindämmung der Zahlen. Das war und ist eine gesamtgesellschaftliche und -wirtschaftliche Aufgabe, der auch wir uns gestellt haben. Wir müssen aber alles daran setzen, dass die Betriebe die Pandemie überleben.
Daher setze ich mich auch künftig dafür ein, dass es Hilfen für die Tourismusbetriebe gibt. Dazu gehören nicht nur die Unterkunftsbetriebe, sondern auch der Seilbahnbetreiber, das Erlebnisbad, das Museum oder der Gästeführer. Wir brauchen das gesamte Netzwerk, um den Tourismus nach der Krise wieder hochfahren zu können.
Tourismus und Investitionen sind gegenseitige Förderer – welche Förderungen sind speziell aktuell?
Auf der einen Seite gibt es die bereits zitierten Überbrückungshilfen, um die Folgen der Corona-Krise für die Tourismusbetriebe abzumildern.
Auf der anderen Seite haben wir in Kooperation mit der Regierung von Oberbayern einen Förder-Leitfaden initiiert, der alle tourismusrelevanten Förderprogramme übersichtlich darstellt. Das reicht von der Förderung regionaler Tourismusprojekte über RÖFE – Förderung, das Gaststätten-Modernisierungs-Programm bis hin zur Seilbahnförderung.
Was sind Ihre Wünsche, Prognosen und Projekte als Präsident des Tourismusverbandes Oberbayern-München?
Ich wünsche mir zu allererst, dass wir die Corona-Krise möglichst bald hinter uns lassen können und dass möglichst viele Tourismusbetriebe die Krise überstehen und rasch wieder eine solide Umsatz- und Geschäftsbasis erhalten. Alle Umfragen zeigen, dass das Interesse an Oberbayern als Reiseziel ungebrochen hoch ist. Insofern gehe ich davon aus, dass wir nach der Krise kein Nachfrage-Problem haben werden. Es wird wichtig sein, dass wir neue Entwicklungen offensiv angehen.
Die Krise hat uns einen Digitalisierungsschub beschert, hier müssen unseren Beitrag leisten, die Digitalisierungskompetenz in der Regionen und Betrieben auszubauen und zu stärken. Auch die Themen Besucherlenkung werden uns künftig dauerhaft begleiten, wie es gelingt vor allem die Tagesbesucher auf Basis eines modernen Datenmanagements effektiv zu steuern. Es braucht auch neue Konzepte für den Geschäftsreise-Tourismus, in dem persönliche Vernetzung und Digitale Formate sich gegenseitig ergänzen. Wir als TOM e.V. sind die Tourismus-Plattform, die alle Partner vernetzt, wertvolles Wissen liefert und in den genannten Bereichen schon heute aktiv ist.
Interview mit Anton Hötzelsperger von den Samerberger Nachrichten
Bildquelle © Severin Schweiger